Impulspapier zur Novellierung der HBO

 

 

 

 

Der BDB Frankfurt Rhein Main e.V. hat sich angesichts der bevorstehenden Novellierung im Vorstand und in einer eigens hierfür eingesetzten Arbeitsgruppe intensiv mit der HBO auseinandergesetzt.

 

Aus Sicht des BDB Frankfurt Rhein Main e.V. sollte die Novellierung der HBO übergeordnete Ziele, wie Vereinfachung und Kostenreduzierung, Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit sowie Umweltschutz, Umgang mit Ressourcen und Lebensqualität verfolgen.

 

Das vorliegende Impulspapier will anhand beispielhaft ausgewählter 5 Bereiche in diesem Sinne Anregungen und Denkanstöße für die anstehende Novellierung geben:

 

  • Bauaufsichtlich eingeführte Technische Baubestimmungen
  • Sonderbau
  • Schallschutz
  • Abstandsflächen
  • Barrierefreiheit

 

 

 

 

 

Bauaufsichtlich eingeführte Technische Baubestimmungen

 

Die derzeitige HBO besteht neben dem eigentlichen Gesetzestext aus einem sich fortwährend vergrößernden und verändernden Konvolut aus bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmungen.

 

Dies führt zu zwei grundsätzlichen Problemen:

 

Zum einen wird die HBO andauernd umfangreicher und unübersichtlicher. Die schiere Zahl an eingeführten Regelwerken mit den zugehörigen Spezifikationen, Verweisen, etc. – dazu noch häufig in sich verändernden Fassungen –

 

– erschweren die Arbeit von Planern, Ausführenden sowie Genehmigungsbehörden,
– erhöhen die Gefahr von Fehlern und
– führen mitunter zu Widersprüchen mit der eigentlichen HBO, schaffen somit Rechtsunsicherheit.

 

All dies führt letztlich bei allen Beteiligten zu höheren Kosten, zu mehr Aufwand sowie zu einem höheren Risiko und ist somit bau- und investitionsfeindlich.

 

Zum anderen unterliegt die Ausrichtung der HBO durch die gegenwärtige Systematik in weiten Teilen nicht der parlamentarischen Kontrolle, da die Einführung von Technischen  Baubestimmungen lediglich vom zuständigen Ministerium und dessen Verwaltung bestimmt wird. Es stellt sich hierbei die Frage, ob hierdurch eine volle demokratische Legitimation gegeben ist.

 

Es ist grundsätzlich nicht nachzuvollziehen, warum die HBO einer ständigen Anpassung und Erweiterung bedarf. Es gibt kaum eine Thematik, die so brisant wäre, dass diese unterjährig, also außerhalb der turnusmäßigen Novellierung, quasi im Eilverfahren, ohne parlamentarische Kontrolle eingeführt werden müsste. Auch führt die gegenwärtige Praxis zu einem unnötig großen Verwaltungsaufwand.

 

Die HBO sollte ausdrücklich den Zielen der Klarheit, Einfachheit, Rechts- und Planungssicherheit sowie einer vollständigen demokratischen Legitimation verpflichtet sein. Der BDB Frankfurt Rhein Main e.V. fordert daher eine in sich abgeschlossene HBO, die gegebenenfalls im eigentlichen Gesetzestext auch umfangreicher werden kann. Auf keinen Fall sollten weiterhin unterjährige neue Technische Baubestimmungen eingeführt werden bzw. bereits eingeführte Bestimmungen geändert werden.

 

 

 

Sonderbauten

 

Das, was die HBO derzeit als ‘Sonderbau‘ kategorisiert, ist – gemessen an der aktuellen Baupraxis – häufig keiner mehr.

 

So stellen z.B. folgende Merkmale, die die HBO unter § 2 (8) aufführt im hessischen Baualltag eher die Regel, als die Ausnahme dar, sind also Merkmale herkömmlicher Gebäude:

 

– Gebäude mit mehr als 1.600 m² Brutto-Grundfläche
– Büro- und Verwaltungsgebäude mit mehr als 3.000 m² BGF
– Kindergärten über 2 Geschosse
– Tiefgaragen von mehr als 1.000 m² Nutzfläche

 

All diese Merkmale sind mittlerweile regelmäßig bei hessischen Gebäuden anzutreffen und bieten keine ‘besonderen‘ technische oder sonstige Herausforderungen. Insofern sollte sich die Kategorie ‘Sonderbau‘ tatsächlich auf ‘besondere‘ Bauten beschränken, die eben so außergewöhnlich sind, dass standardisierte Regelungen nicht ausreichend greifen. Als Beispiele hierfür sind z. B. Krankenhäuser, Hochhäuser oder Flughäfen zu benennen.

 

Eine Beschränkung der Kategorie ‘Sonderbauten‘ auf wirklich ‘besondere‘ Bauten führt zu mehr Einfachheit, Rechts- und Planungssicherheit sowie Wirtschaftlichkeit für alle Beteiligten. Der BDB Frankfurt Rhein Main e.V. fordert daher eine Beschränkung der Definition von Sonderbauten auf:

– Hochhäuser

– Versammlungsstätten

und sonstige Gebäude deren Größe entweder

– 10.000 m² BGF oberirdisch oder

– 5.000 m² BGF unterirdisch überschreitet.

 

 

 

Schallschutz

 

Das Thema Schallschutz ist ein gutes Beispiel für eines der grundsätzlichen rechtlichen Probleme im deutschen Baugeschehen:

 

Im Zuge der immer stärker steigenden Ansprüche der Baustandards, klaffen öffentlichrechtliche und privatrechtliche Anforderungen häufig immer stärker auseinander. Die privatrechtlichen Anforderungen unterliegen meist keinen klaren gesetzlichen Regelungen, sondern werden durch den ‘Stand der Technik‘, dem Wettstreit von normativen Regelwerken, im Zweifelsfall durch Gerichtsentscheidungen definiert. Dies schafft eine immer größere Rechts- und Planungsunsicherheit, unter der sowohl die Bauwirtschaft als auch Behörden massiv leiden.

 

Deshalb sollten ähnlich dem Brandschutz auch verstärkt andere bautechnische Themen, wie z.B. der Schallschutz, eine entsprechende Würdigung in der HBO finden. Zum Nutzen aller Beteiligten sollten hier eindeutige gesetzliche Standards definiert werden. So wie sich die Anforderungen an eine Wand bezüglich des Brandschutzes abschließend über die Feuerwiderstandsklasse definiert, könnte dies bezüglich des Schallschutzes z.B. bei einer Wohnungstrennwand über das erforderliche Schalldämmmaß erfolgen.

 

Die positiven Auswirkungen solcher eindeutigen Vorgaben für den Schallschutz in der HBO hinsichtlich von Rechts- und Planungssicherheit sowie in der Folge für die Wirtschaftlichkeit wären immens. Der BDB Frankfurt Rhein Main e.V. fordert daher eine Regelung des Schallschutzes in der HBO analog zum Brandschutz.

 

 

 

Abstandsflächen

 

Die beliebtesten Stadtviertel in den hessischen Großstädten sind in der Regel die, die gründerzeitliche Strukturen aufweisen. Diese gründerzeitlichen Strukturen zeichnen sich in der Regel durch einen geschlossenen Blockrand und häufig durch eine zusätzliche Nachverdichtung mit im Blockinnenbereich liegenden Hinterhäusern auf. Die (Bevölkerungs-)Dichte dieser Typologie ist im Vergleich zu anderen, jüngeren städtebaulichen Strukturen sehr hoch.

 

Diese Dichte ermöglicht erst eine funktionierende Durchmischung der Wohnnutzung mit Läden, Gastronomie und sonstigen Dienstleistungsflächen. Denn nur durch eine ausreichende Zahl an Nachfragern in unmittelbarer Entfernung ist ein Bestehen dieser regelmäßig kleinstrukturierten Gewerbeeinheiten überhaupt möglich.

 

Neben der häufig hohen architektonischen Qualität der Häuser aus dieser Epoche, ist genau dieser lebendige Mix unterschiedlicher Nutzungen verantwortlich für die Attraktivität dieser Viertel, die letztlich die klassische europäische Stadt repräsentieren. Die vergangenen 8 Jahrzehnte waren städtebaulich von der Charta von Athen geprägt, die 1933 in Reaktion auf urbane Missstände der Industrialisierung eine Funktionstrennung, Entmischung und Entdichtung im Städtebau propagierte. Dies führte in der Folgezeit in vielen Fällen zu massiven Fehlentwicklungen, um deren Behebung man sich mittlerweile bemüht.

 

Die Abstandsflächenregelung der HBO spiegelt in weiten Teilen immer noch die Vorstellungen der Moderne, also der Charta von Athen, wieder. So ist z. B. die geometrische Zwangssituation einer Blockrandstruktur (zwangsläufige Überschneidung der Abstandsflächen an einer Innenecke) systematisch überhaupt nicht erfasst und führt regelmäßig zu Problemen in der Baupraxis. Auch die restriktive Bewertung von Dach­aufbauten (insbesondere Gauben) wird den aktuellen Veränderungen in Architektur und Städtebau nicht mehr gerecht, da man neben dem Flachdach wieder verstärkt auf andere Dachformen zurückgreift. Das gilt auch für sogenannte ‘untergeordnete‘ Bauteile, wie Balkone, Erker, etc. – mittlerweile wieder beliebte und belebende Ausdrucksmittel zeitgenössischer Baukultur.

 

Die fehlenden oder restriktiven gesetzlichen Regelungen stellen in der Baupraxis oft große Hemmnisse dar. Selbst wenn die Genehmigungsbehörden Abweichungen genehmigen, muss in der Regel immer noch eine Nachbarzustimmung eingeholt werden, die meist – wenn überhaupt – nicht zu wirtschaftlichen Konditionen zu erlangen ist. Überhaupt werden Nachbarschaftsbelange zu einem immer größeren Konfliktpotential im

 

Baugeschehen. Diesbezüglich sei hier auch auf mitunter konkurrierende Festsetzungen durch Bauplanungsrecht auf der einen Seite sowie Bauordnungsrecht auf der anderen Seite verwiesen, wie beispielsweise bei der Umsetzung von planungsrechtlich festgelegten Gebäudehöhen, die bauordnungsrechtlich bzw. privatrechtlich noch der Zustimmung des Nachbarn aufgrund von Abstandsflächenverletzungen bedürfen. In solchen Fällen sollten planungsrechtliche Festsetzungen im Zweifel bauordnungsrechtliche Vorgaben stechen.

 

Der BDB Frankfurt Rhein Main e.V. fordert daher eine Anpassung der Abstandsflächenregelungen an zeitgemäße Bauweisen und Formensprachen sowie eine Harmonisierung zwischen Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht, um vor allem Nachbarstreitigkeiten und die damit verbundenen negativen Konsequenzen zu reduzieren.

 

 

 

Barrierefreiheit

 

Die gesetzlichen Vorgaben für barrierefreies Bauen sind derzeit große regulatorische Kostentreiber.

 

Insbesondere die im Rahmen der Technischen Baustimmungen (teilweise) eingeführte DIN 18040 ist hier zu benennen, die den Begriff Barrierefreiheit inflationär ausgedehnt hat und beispielsweise ‘großwüchsige Menschen‘ und ‘Personen mit Gepäck‘ inkludiert.

 

Die derzeitigen Regelungen sind überzogen und unnötig kompliziert. Hierunter fallen nicht nur der vielzitierte Aufzug bei Gebäudeaufstockungen sondern viele weitere Regularien. So führen z.B. die geforderten Türabmessungen und die zugehörigen Bewegungsflächen zu

– überdimensionierten Wohnungen,
– schlecht möblierbaren Grundrissen und
– Spezialbauteilen,

 

was neben entsprechend höheren Kosten auch zu einer generell schlechteren Akzeptanz durch die Nutzer führt.

 

Viele Bestimmungen für Barrierefreiheit führen zu Zielkonflikten mit anderen Anforderungen oder zu hohen Kostensteigerungen, wie z. B:

 

– Die geforderten maximalen Öffnungswiderstände von Türen, die sich bei Brandschutztüren häufig nur durch elektrische Unterstützung mit entsprechenden Mehrkosten realisieren lassen. Noch teurer wird dann die Forderung von Behörden nach Redundanz im Falle eines Stromausfalls, deren Umsetzung dann entweder ein Notstromaggregat oder eine Batterie erfordert.
– Der geforderte 3 m Abstand zwischen Fahrstuhl und abwärtsführenden Treppenlauf führt zu überdimensionierten Treppenhäusern und damit zu immensen Kostensteigerungen.
– Die geforderte lichte Höhe von mindestens 2,2 m über Verkehrsflächen führt gegenüber der bisherigen Forderung von 2,0 m aus der GaVo bei üblichen Bodenverhältnissen bzw. Grundwasserständen zu erheblichen Kostensteigerungen.

 

Neben diversen Vorschriften ist auch die Sinnhaftigkeit von ‘Quoten‘ für barrierefreie Wohnungen generell zu hinterfragen. Solche Wohnungen werden tatsächlich weit überwiegend nicht von Menschen mit Handycap bezogen. Es werden also mit hohem Aufwand Wohnungen gebaut, die in aller Regel nicht bestimmungsgemäß genutzt werden.

 

Ungleich sinnvoller wäre es, anstelle von übermäßigen Anforderungen für einige Wohnungen, moderatere aber zielgerichtete Vorgaben für alle Wohnungen festzusetzen. Diese könnten etwa sein:

 

– lichte Zimmertürbreiten von 77 cm für alle Wohn- und Schlafräume sowie ein Bad (erzielbar durch ein gebräuchliches 88,5er Türmaß) und lichte Breiten für die Wohnungseingangstüren von 87 cm (erzielbar durch ein gebräuchliches 101er Türmaß)
– Flurbreiten bzw. Bewegungsflächen von 1,20 m (statt wie bisher 1,50 m) und ein vollständiger Verzicht auf seitliche Bewegungsflächen.

 

Der BDB Frankfurt Rhein Main e.V. fordert, auf eine Quote basierend auf überhohen Anforderungen für barrierefreie Wohnungen zu verzichten und stattdessen diesbezügliche Anforderungen für alle Wohnungen moderat anzuheben. Auf einen Bezug zur DIN 18040 sollte verzichtet werden. Stattdessen sollten alle für notwendig erachteten Regelungen klar und abschließend in der eigentlichen HBO formuliert werden.

Ein solches Vorgehen würde die Rechts- und Planungssicherheit sowie die Nutzerakzeptanz stark erhöhen und einen echten Beitrag zur Kostensenkung im Wohnungsbau liefern. Außerdem könnte auf diese Weise die Versorgung von Menschen mit Handycap mit geeigneten Wohnungen weit besser erreicht werden, als mit der bisherigen Regelung.

 

 

 

Frankfurt am Main, im Februar 2017

 

 

 

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